October 28, 2022

Riders weltweit in Bewegung

Über das Entstehen grenzüberschreitender Solidarität

Riders weltweit in Bewegung

Die Unruhe bei den Essenslieferdiensten in China und der Arbeitskampf der Riders in Hongkong gehören zu den in diesem Blog am häufigsten auftauchenden Themen. Hier ein Rückblick auf die bisherigen Entwicklungen, bei denen das Forum Arbeitswelten nicht nur nah dran war, sondern auch einen aktiven Part in der grenzüberschreitenden Vernetzung  der Fahrer übernommen hatte.

Die Solidaritätskampagne für den inhaftierten Kurierfahrer Chen Guojiang (Spitzname "Mengzhu") wurde von uns angestoßen und entwickelte eine beachtliche Eigendynamik.

Solidaritätsaktion in Bremen

So war jemand vom Forum Arbeitswelten dabei, als sich vor gut zwei Jahren Riders online (von Berlin aus) zusammentaten und ist seit dem in verschiedenen Riders-Telegramgruppen. Auch innerhalb Deutschands wird auf Englisch kommuniziert, da die Mehrheit der Fahrer migrantisch ist.

Eine in Deutschland lebende chinesische Aktivistin hat ihre eigenen Netzwerke nach China und Hongkong. Im Fall Chen Guojiang "Mengzhu" gelang es, über diese Kontakte bis zur Familie Mengzhus vorzudringen, trotz Repression und Abschottung.

Unsere Kampagnengrafiken

Es folgte eine Internationale Solikampagne ab März 2021 mit der Kampagnenseite https://deliveryworkers.github.io/    Es gab dann eine internationale Videokonferenz, eingerichtet von Ellen Friedman in den USA.

Wir warfen unsere Kontakte zusammen und es gab eine bunt gemischte Teilnehmerschaft aus u.a. Deutschland, China, Hongkong, Rußland, Pakistan, Brasilien, Taiwan, USA und eine tolle Diskussion. Uber Fahrer aus den USA sprachen aus ihren Autos per Smartphone mit uns. Bei ihnen haben sich tausende organisiert und sie kämpfen um eine Anerkennung als Gewerkschaft. Durch einen Kontakt zu einem Aktivsten in Brasilien ging es weiter nach Lateinamerika.

Aufruf in Argentinien

Dort konnte man auf ein bestehendes Netzwerk der Fahrer zurückgreifen, das die Proteste  selbst koordinierte.

Kundgebung vor dem chineische Konsulat in Argentien

Aus der Solidaritätserklärung, die in Argentinen vor der Chinesischen Botschaft verlesen worden ist: "Wir Stehen vor den chinesischen Botschaften und Konsulaten in Argentinien, Ecuador, Brasilien, Mexiko und Paraguay, um eine internationalistische Aktion durchzuführen."

Die Solikampagne war beeindruckend. In Mexiko ging eine Delegation mit einer Solidaritätsbotschaft zum Chinesischen Konsulat, das aus dem Grund von Mexikanischer Polizei abgeriegelt worden ist. Die Übergabe wurde an dem Tag verhindert.

In Kalifornien gab es einen Soli-Konvoi von UBER-Fahrern zum chinesischen Konsulat.

Uber Konvoi für Mengzhu
"FREE MENGZHU!" laut und deutlich für die Mitarbeiter der Konsulats

Die größte Aktion fand in Sao Paulo statt. Eine Motorraddemo für Mengzhu.

Riders Motorradkonvoi in Sao Paulo

Es gab in verschiedenen Europäischen Medien (UK, I, SP, FR) Berichte. Eine österreichische Riders Organisation machte ein Interview zur Situation der Riders in China, der von Mengzhu, sowie der Solidaritätsarbeit vom Forum Arbeitswelten als Podcast.

Für den Singles day, dem Online Shopping day am 11.11. 2021, versuchten wir eine weitere Solikampagne zu starten, die in erster Linie eine Onlinekampagen mit Solifotos aus aller Welt werden sollte.

Sie zündete jedoch nicht so wie erhofft. Wir bekamen Fotos mit hochgehaltenen Free Menzhu Schildern aus Argentinien, Brasilien, Italien, UK, Spanien und Deutschland, aber weniger als erwartet.

Solidarische Riders in Argentinien
Solidarische Grüße von der FAU
Prof. Eli Friedman, USA
Spanien

Umso erfreulicher war die nächste Videokonferenz.  Es ging um die Lehren aus dem gerade stattgefundenen Streik in Hongkong. Die Videokonferenz wurde von den Hongkongern ausgerichtet. Rund 50 Leute aus der halben Welt, D, HK, China, UK, USA, F, I, SP, Rußland, Litauen, Brasilien, Argentinien, Pakistan, Philippinen, Myanmar, Taiwan waren dabei.

Es gab ein enormes Interesse an dem Streikerfahrungen aus Hongkong, doch viele wollten auch von eigenen Organisierungsversuchen und Kampferfahrungen erzählen.

Der Streik bei Foodpanda in Hongkong

Es ging um das Überwinden der Probleme in der Auseinandersetzung. Streikbrecher würden nicht angegriffen, man redete mit ihnen, ohne ihnen zu drohen. Es blieben Kollegen und man vermied es, Spaltungen unter den Fahrern entstehen zu lassen. Stattdessen suchte man Unterstützung bei den Kunden. Man erzählte ihnen von den Arbeitsbedingungen bei Foodpanda und konnte mehrere hundert von ihnen zu einem Boykott dieses Unternehmens bewegen .

Auf die Frage, ob man sich in diesem Kampf nicht eine Gewerkschaft gewünscht hätte, erklärte ein Aktivist, er wisse nicht wofür. Niemand kenne die Arbeit und die Probleme so gut wie sie selbst. Die Riders wüßten selbst, was sie wollten und wie man es einfordert. "Ich würde mich eingeschränkt fühlen. Ich konnte das Management angreifen und beleidigen. Ich weiß, wie weit man gehen kann. Im Rahmen einer Gewerkschaft hätte ich das nicht gedurft. Wir konnten für unsere Sache einstehen und ich glaube nicht, daß eine Gewerkschaft uns diesen Kampf erleichtert hätte."

Der Sprecher der Streikenden in Hongkong ist pakistanischer Arbeitsmigrant. Er verschaffte uns einen Kontakt zu einem pakistanischen Streikaktivisten in Dubai.

Myanmar hatte einen größeren Anteil an der Debatte. Die Riders dort verkündeten, in einer Woche in den Streik zu treten.

Das passierte dann auch und war sehr beeindruckend.

Es gab wechselseitige Soliaktionen: Griechische Riders machten eine Protestkundgebung für die Kollegen in Myanmar,

Kundgebungeine vor dem Hauptsitz von efood in Athen in Solidarität mit den Kollegen in Myanmar

Myanmarische Riders machten öffentliche Soliaktionen für den Ridersstreik in Athen.

In Myanmar: "Dear colleagues-riders of efood in Athens..."
Solidarität von den Philippinen für die Streiks in Myanmar UND Griechenland
Solidarität aus Deutschland

Ein Solivideo aus Griechenland:

Die Kämpfe der Kurierfahrer tauchen zunehmend in der Berichterstattung der Medien auf.

Besonders erwähnenswert ist die Tendenz  zur Untersuchung der eigenen Situation und dem Funktioneren der Branche, sowie zu einer überregionalen Vernetzung, durch die Fahrer selbst. Es gibt nicht nur unterschiedlich gefestigte Netzwerke in Lateinamerika, Europa und Ostasien, man versucht auch den Austausch zwischen den Kontinenten zu verbessern.

Riders' Rights Concern Group: Warum sich die Europäer für den Kampf der FoodPanda-Kuriere in Hongkong interessieren sollten

Die Auflösung des [Gewerkschaftsdachverbandes] HKCTU hat die Gewerkschaftsbewegung in Hongkong schwer getroffen, aber die Arbeitskämpfe werden nicht aufhören.
(...) In Hongkong wurden sowohl der jüngste Foodpanda-Streik als auch der Deliveroo-Streik vor fast zwei Jahren von den ethnischen Minderheiten angeführt. (...) Die beiden oben erwähnten Streiks werden von ethnischen Minderheiten dominiert. Es scheint, dass sich nur wenige einheimische chinesische Arbeitnehmer daran beteiligten. Doch während des foodpanda-Streiks schlossen sich auch viele einheimische chinesische Arbeitnehmer der "No Pick-up"-Bewegung an. Deshalb sah sich die Geschäftsführung von foodpanda gezwungen, kurz nach Beginn des Streiks an den Verhandlungstisch zu kommen. In der Branche haben sowohl ethnische Minderheiten als auch einheimische chinesische Beschäftigte ihre eigenen Anliegen, was aber nicht bedeutet, dass beide Lager nicht zusammenkommen könnten.
Es ist ein weltweites Phänomen, dass die Lebensmittellieferindustrie viele ethnische Minderheiten an verschiedenen Orten absorbiert hat. (...)
Der foodpanda-Streik ist kein Einzelfall. Er ist vielmehr ein Teil der globalen Kampagne gegen die globale Plattformökonomie. Was die Verschiebung der ungleichen Machtverhältnisse angeht, folgt die globale Plattformökonomie demselben Weg wie die globalen Lieferketten. Die Macht wird von den transnationalen Plattformunternehmen ausgeübt.

Change

"From Hong Kong to Dubai, workers fight back" novaramedia 15.8.2022

The Gig Economy Project Wichtiges Medienprojekt zur Untersuchung der Plattform-Ökonomie Europas

ASIAN PLATFORM LABOUR CONFERENCE 2022 18.-20.8.2022

Asian Labour Review über Riders in Indonesien und Thailand

Griechische Basisgewerkschaft Σ.Β.Ε.Ο.Δ. für Kurierfahrer

Infomaterial der Friedlich Ebert Stiftung (Rumänien, Portugal, Spanien, Deutschland)

Es ist Bewegung in die Branche gekommen und es sieht so aus, als würden sich die Kämpfe der Riders grenzüberschreitend inspirieren. Die Zahl der Arbeitsniederlegungen hat zugenommen. Union Busting Methoden sind verbreitete Mittel gegen die Organisierung der Fahrer:innen.

Bei Lieferando in Berlin kämpft man gegen die Entlassung aktiver Kolleg:innen

Arbeitskämpfe werden aber auch mit staatlicher Repression beantwortet.

Knast für einen Kurierfahrer und Gewerkschaftsaktivisten in Rußland

https://freeukraintsev.org/en/

Die jüngsten Arbeitskämpfe:

5.10.22 Streik nach Tod eines Fahrers in Florenz (links) 1.10.22 Streik bei Deliveroo und Foodora in Paris (rechts)
21.10.22 Streiks in UK in Leeds and Derby (links) 18.10.22: Landesweiter Streik in Südkorea (rechts)
5.10.22 Streik in Kopenhangen (links) 16.10.22: Streik in Wien (rechts)

Über den Streik der Essenskuriere in Hongkong haben wir gerade berichtet.

Nun planen wir eine Onlinekonferenz im Dezember zum Thema mit einem besonderen Fokus auf die Situation in Hongkong und Festlandchina.

Update vom vom 7.11.2022:

Bei Foodpanda Hongkong sind letztes Wochendende 1600 Beschäftigte in den Arbeitskampf getreten: