Die aktuelle Debatte über Gewerkschaften in China vom Juni 2011
"Tiananmen Square activist gives support to China's official union"
Das ist der Titel des Artikels in "The Guardian" vom 26. Juni 2011, verfasst von Tania Branigan. Darin fasst die Autorin die Ausführungen des Chefredakteurs des China Labour Bulletin zusammen, der argumentiert, die Zeiten hätten sich geändert, auch und gerade nach den erneuten Protesten der jüngsten Zeit, und der Druck der globalisierten Wirtschaft, sowie eine von ihm eingeforderte veränderte Vorgehensweise des Internationalen Gewerkschaftsbundes würden dazu beitragen, aus dem Verband eine wirkliche Gewerkschaftsföderation zu machen.
Han Dongfangs Artikel ist unter der Überschrift "Klassenkampf auf Sozialistisch" am 28. Juni 2011 auch auf deutsch erschienen, im Freitag.
Sein Argument, heute würden auch die offiziellen Stellen der VR China eine Veränderung diskutieren, wird etwa durch Artikel wie "S. China Unrest Signals Time to Improve Welfare of Migrant Workers
" in Xinhua am 18. Juni 2011 gestützt, worin die jüngsten "Unruhen" als Anzeichen für dringend nötige soziale Reformen für MigrantInnen gedeutet werden. Diverse Aktionen, wie die Erhöhung der Mindestlöhne in einer Reihe von Bezirken, versprochene Wahlen zu betrieblichen Gewerkschaftsvertretungen und einzelne Berichte und Diskussionsbeiträge von offizieller Seite weisen ebenfalls in diese Richtung.
Zur Diskussion dieser Thesen verweisen unsere Projektpartner Labornet China auf den auch auf unserer Gewerkschaftsseite bereits verlinkten Artikel "THE ROLE OF THE ALL CHINA FEDERATION OF TRADE UNIONS: IMPLICATIONS FOR CHINESE WORKERS TODAY" von Ruixue Bai, der eine gegensätzliche Analyse und Stellungnahme vornimmt. Er argumentiert, dass - angesichts der Bilanz der Tätigkeit des Verbandes, seiner Zustimmung zur Privatisierung von 86% aller Staatsbetriebe sowie seiner langjährigen nahezu totalen Untätigkeit bezüglich der WanderarbeiterInnen - jegliche konkrete Veränderung zunächst einmal als taktische Veränderung verstanden werden müsse. Am Beispiel etwa der Gewerkschaftsgründung bei Walmart hebt er hervor, dass dort, wo zunächst die Belegschaften - auch aufgrund ihres Drucks - in die Organisationsbildung eingebunden waren, inklusive Wahlen, dies wieder aufgegeben wurde, als die Walmart Geschäftsleitung ihre Position änderte, keine Front mehr gegen die Gewerkschaftsgründung machte - und die Gewerkschaftsvertreter von da an wieder in Übereinstimmung mit der Geschäftsleitung nominiert wurden...(Dieser Text wird demnächst in eigener deutscher Übersetzung vorhanden sein).
Der Beitrag "Class conciousness of migrant workers in the chinese Pearl River Delta" von Anita Chan und Kaxton Siu vom April 2011 ist ein lesenswerter Versuch, die Entwicklung der Arbeiterbewegung im neuen industriellen Herzland Chinas und die Entwicklung der Gewerkschaften zusammen zu analysieren, wobei der Schluss gezogen wird, dass nur solche Veränderungen oder Neuorganisationen Besserung versprechen, die aufgrund echter Bewegung entstehen. Wir dokumentieren diesen Beitrag auf unserer Gewerkschaftsseite.
Der Beitrag "Geschichte, aktuelle Situation und Probleme der chinesischen Gewerkschaften" war Bestandteil des fünften Übersetzungspakets von Froum Arbeitswelten 2010 und ist dazu geeignet, diese Diskussion mit historischen Hintergrundinformationen und Bewertungen zu vertiefen.
Der Beitrag "Respektiert die Menschenwürde der chinesischen ArbeiterInnen" über die Auseinandersetzungen um Gewerkschaftsrechte beim dänischen konzern Ole Wolff war Bestandteil des sechsten Übersetzungspakets unseres Projekts und zeigt die betriebliche und konkrete Dimension dieser Auseinandersetzung.
"Lohnstreiks und Gewerkschaften in China – Ende der Niedriglohnpolitik?" von Rudolf Traub-Merz ist im Juni 2011 von der Friedrich Ebert Stiftung publiziert worden und ist, mit den bekannten Salzkörnern, eine lesenswerte Bestandsaufnahme.